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Autor: |
Ros, Arno |
Titel: |
I. "Wirklichkeit" und "Konstruktion". Der Status der Wirklichkeit in der Genese kognitiver Strukturen bei Jean Piaget. |
Jahr: |
1994 |
Herausgeber: |
Rusch von, G.; Schmidt, S. J. |
Zusatz/Reihe: |
in: Piaget und der Radikale Konstruktivismus |
Ort: |
Frankfurt am Main |
Verlag: |
Suhrkamp |
Band: |
Seite 139-175 |
Schlüsselwörter: |
Epistemologie; kognitive Struktur; Konstruktivismus; Wirklichkeitsbegriff; Äquilibration |
Abstract:
Die epistemologischen Grundlagen der kognitiven Entwicklungstheorie von Jean Piaget werden kritisch diskutiert. Dabei wird deutlich gemacht, dass Piaget in Abgenzung zu einem naiven (abbildtheoretischen) Realismus einen perspektivischen Wirklichkeitsbegriff vertreten hat, der als "wirklich" nur das gelten laesst, was sich im Rahmen der Unterscheidungsfaehigkeiten, ueber die ein Subjekt verfuegt, identifizieren laesst. Piaget's Ueberlegungen zur Entstehung kognitiver Strukturen werden somit als eine Theorie angesehen, die mehr mit der Entwicklung von Erkenntnisfaehigkeiten als mit den den Erkenntnissen als solchen befasst ist. Auf die begrenzte Bedeutung von Erfahrungen bei der Entwicklung der Erkenntnisfaehigkeiten wird hingewiesen. In einer Diskussion verschiedener Ursachen fuer den Uebergang von einer Stufe der kognitiven Entwicklung zur naechsten wird aufgezeigt, dass Piaget intentionale und evolutionaere Erklaerungen ablehnte und das Bestreben nach einer Aufloesung von Inkohaerenzen, die sich als Stoerungen des Gleichgewichts des Organismus auswirken, als wichtigsten Antrieb fuer die kognitive Entwicklung betrachtete. Es wird kritisiert, dass dieses Streben nach Freiheit von Inkohaerenzen nicht ein biologisch angelegtes und natuerliches, sondern ein artifizielles und spaetes Produkt der kulturellen Entwicklung des Menschen ist. Darueber hinaus ist der von Piaget unterstellte Automatismus bei der Aufloesung von Inkohaerenzen empirisch nicht haltbar. Unter Bezug auf sprachtheoretische Ansaetze wird eine Erweiterung der Annahmen von Piaget zur Entwicklung der begrifflichen Intelligenz bzw. der Begruendungsfaehigkeiten vorgeschlagen. (Michael Gerards - ZPID)